Viele Nahrungsmittel, von denen man es nicht vermuten würde, enthalten tierische Bestandteile. Das ist ärgerlich – und für immer mehr Menschen ein Problem. Foodwatch zeigt, wo was drin steckt.

München - Wenn Sie denken, dass im Kleingedruckten auf der Chips-Tüte all das drauf steht, was wirklich drin ist, dann haben Sie sich getäuscht. Denn Chips sind nicht nur geröstete Kartoffelscheiben. Vielfach sind es Aromen aus Kälberlab, Schwein, Wild oder Geflügel, die Chips den Geschmack geben.


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Das Problem dabei ist: Immer mehr Menschen wollen sich vegetarisch oder vegan ernähren, verzichten aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen auf Fleisch und Fisch oder wollen lediglich wissen, was sie essen. Die Hersteller hingegen jubeln den Verbrauchern unverfroren tierische Produkte in Saft, Käse, Brot oder Chips unter. Sie dürfen es sogar, denn es gibt keine Kennzeichnungspflicht.

 
Möglich macht dies eine Lücke im Lebensmittelgesetz. Es gibt keine verpflichtende Regelung, wie Zutaten, Zusatzstoffe tierischen Ursprungs oder tierische Bestandteile, die in der Produktion genutzt werden, gekennzeichnet werden müssen. Ohne das Wissen der Konsumenten werden ihnen Aromen aus Geflügel oder Kälberlab in Kartoffelchips untergejubelt.

In Bäckereien wird oft Mehl verwendet, zu dem Cystein hinzugefügt wurde. Cystein, hergestellt aus Schweineborsten oder Federn, verhindert, dass Teig an Maschinen kleben bleibt und sorgt dafür, dass Backwaren ihre Form behalten. Jetzt gab der Safthersteller Valensina gegenüber Foodwatch bekannt, dass er für den Multivitaminsaft keine Fischgelatine mehr verwendet.
Damit nämlich wurden dem Saft bisher zusätzliche Vitamine hinzugefügt. Auch wird von jetzt an der Orange-Ananas-Saft nicht mehr mit Schweinsgelatine von Trübstoffen befreit (geklärt). Valensina ist da eine Ausnahme. Denn: Frischkäse von Bresso und Rotkäppchen enthalten Gelatine als Verdickungsmittel und Nestlé gibt seiner Maggi Tomatencremesuppe Speck bei. Immerhin hat der Verbraucher hier anhand der Zutatenliste im Kleingedruckten die Möglichkeit, von den überraschenden Beigaben zu erfahren – wenn er denn genau hinschaut.
Das allerdings bleibt den Verbrauchern bei Lebensmitteln verwehrt, bei denen tierische Stoffe als technische Hilfen eingesetzt werden. Zum Beispiel werden Säfte, Bier oder Wein mithilfe von Gelatine aus Rinder- oder Schweineknochen geklärt. Angegeben werden muss dies nicht. Die Ausnahme ist, wenn dafür Hühnereiweiß verwendet wird. Als Nachweis für eine allergene Zutat muss dies im Kleingedruckten stehen.
Das Beispiel Ritter Sport zeigt, dass nicht all das vegan ist, was vegan sein soll. Denn die milchlosen Sorten Halbbitter, Edelbitter und Marzipan werden im Ritter Sport-Werk auf Maschinen verarbeitet, auf denen auch Milchschokolade verarbeitet wird. Darum macht Ritter Sport in seinem Firmen-Blog die Veganer darauf au

fmerksam, dass sich beispielsweise in der Sorte Marzipan Laktosewerte von 0,4 g pro 100g Tafel wiederfinden. Trotzdem empfiehlt die Firma ein paar Zeilen höher Veganern die Sorten Marzipan, Halbbitter und Edelbitter.
Katjes bewarb seine Veggie-Fruchtgummis vor einigen Jahren mit einer großen Werbekampagne mit Model Heidi Klum und der Schauspielerin Alexandra Neldel. Unvergessen dabei die Yoghurt-Gums zwischen ihren Zehen beim Fußnägellackieren. Die aktuelle „I love veggie“-Kampagne „Grünohr-Hase“ verspricht sogar Fruchtgummis ohne tierische Gelatine. Doch ob und wie Katjes bei den „Veggie“-Yoghurt-Gums Verunreinigungen mit Gelatine wirklich ausschließen kann, ist unklar. Auf wiederholte Nachfrage von Foodwatch verweigerte das Unternehmen eine schriftliche Auskunft. Verbraucher müssen also davon ausgehen, dass „veggie“ bei Katjes nicht unbedingt rein vegetarisch bedeuten muss.
Im Sommer 2012 startete Foodwatch eine E-Mail-Aktion, bei der bis heute über 86000 Menschen mitgemacht haben. Die Unterzeichner fordern vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und von den Verbraucherschutzministern der Bundesländer eine Kennzeichnungspflicht für alle versteckten Tierprodukte und Tierbestandteile.
Zuerst reagierte Eckes-Granini mit seinem Saft „Hohes C“ und auch Milram mit seinem Frühlingsquark. Beide änderten ihre Rezepturen und produzieren jetzt tierfrei. Foodwatch zeigt: Wenn sich Verbrauch

er wehren, können sie was erreichen.
Trotzdem, sagt Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelkennzeichnungen bei Foodwatch, kann es so nicht weitergehen. Hersteller sollen nicht erst von Verbraucherschützern wachgerüttelt werden, ihre Rezepturen zu ändern oder Inhaltsstoffe genauer anzugeben. „Wir fordern ganz klar, dass sich die Gesetzeslage in Deutschland und in der EU ändert. Wo Tier drin ist muss auch Tier drauf stehen“, sagt er. „Nur dann können Verbraucher sich bewusst für oder gegen tierische Produkte entscheiden.“
Foodwatch und der Vegetarierbund Deutschland (Vebu) fordern, die Begriffe „vegetarisch“ und „vegan“ gesetzlich zu definieren. „Dann wäre diese Hürde schon einmal geschafft“, sagt Huizinga. Im Moment sind die Bezeichnungen nicht geschützt. „Da kann ’vegetarisch’ und ’vegan’ auf den Verpackungen alles oder nichts heißen.“
Huizinga erklärt aber auch, dass es nicht ausreiche, nur die Begriffe „vegetarisch“ und „vegan“ zu definieren. Warum? „Niemand erwartet tierische Bestandteile in Kartoffelchips oder Saft. Gerade da muss deutlich werden, wenn es sich um tierische Produkte handelt. Egal ob sie freiwillig als „vegetarisch“ beworben werden oder nicht.“
Seit Dezember ist Hans-Peter Friedrich (CSU) als Minister für Ernährung zuständig. Von ihm wünschen sich die Aktivisten, dass er Bewegung in die Sache bringt. „Bisher ist noch nicht klar, was Minister Friedrich gegen die alltägliche legale Verbrauchertäuschung tun will“, sagt Huizinga. „Aber auch seine Vorgängerin Ilse Aigner hat de facto keine großen Fortschritte gegen irreführende Produkte gemacht.“

Na, dann wäre es doch ein Schritt in die richtige Richtung, wenn der Ernährungsminister dafür sorgt, dass entweder auf den Chipstüten draufsteht was drin ist – oder sich die Chipshersteller eine tierfreie Rezeptur für ihren Fernseh-Snack ausdenken. Die Verbraucher würd’s freuen.